Ezt is'a do!

Oder - wie man vielleicht in nördlicheren Gefilden sagen würde: "Jetzt ist er da!" Die Rede ist vom Kletterführer von Kochel.

Von vielen gefürchtet, von vielen gewünscht, nun von Thomas Bucher und Toni Lamprecht geschrieben. Gefürchtet, weil derzeit in der Bundesberti Republik auch in der Kletterszene nach dem Motto verfahren wird: 'Sollen sie doch meinen Nachbarn und Freunden die Felsen wegsperren, Hauptsache ich hab meine Ruhe!" Gewünscht deshalb, weil man in anderen Kletterszenen die üblen Geschichten über die dort vorhandenen Schwierigkeitsgrade einfach nicht glauben wollte.

Um es vorweg zu nehmen, "Der Führer den die Welt noch braucht" - wie es im Untertitel heißt - ist keine Bibel für schwierigkeitsfanatische Hungertürme. Nie hat der Leser den Eindruck, die Spezies Mensch beginne erst ab 8a. Immer finden die beiden Autoren die nötige Selbstironie, die man bei vielen derzeit in der Szene abgehenden Diskussionen oft den Protagonisten mit der Fliegenklatsche verpassen müßte!
Trotzdem ist der Kochel-Führer für viele eine Enttäuschung. Aber das liegt am Gebiet. An der Fülle der aufgeführten Routen liegt das sicherlich nicht: Knapp 300 Routen lassen an Anzahl keine Wünsche offen - aber nicht einmal 25 davon liegen im Schwierigkeitsbereich unter 7- ! Doch ist das den Autoren nicht zum Vorwurf zu machen. Das Gebiet ist halt nun mal so. Die Felsen sind mit Bohrhaken quasi übersät, aber wenn sie halt mal mindestens senkrecht stehen, kommen nicht mehr einfache Routen raus. Eigentlich schade.
Denn das zehrt natürlich an den Nerven von Kletterern, die eben nicht fünf Tage in der Woche sich an irgendwelchen Balken im Keller oder an sonstigen lauschigen Plätzchen die Finger langziehen können, um sich die restlichen beiden Tage an Rauhfasertapeten-ähnlichen Wänden zu vergnügen.
Vor jedem Wandsektor gibt einem eine kleine Grafik einen optischen Überblick nicht nur wie gewohnt über Schwierigkeitsgrade und Wandhöhe, sondern auch über interessante Details, wie etwa die Eignung der Wand, Kinder relativ gefahrlos plazieren zu können. Das scheint auf den ersten Blick ein bißchen übertrieben, aber gemach liebe Breitfinger-Youngster! Das eine kann ich Euch versprechen: Neun von zehn, die jetzt die Stirn runzeln, werden in nicht allzu ferner Zukunft genau vor diesem Problem stehen. So ist nun mal die Statistik!
Dennoch ist das Büchelchen für Leute, die gerne Schmunzeln, von vorne bis zur vorletzten Seite ein Vergnügen. Bucher und Lamprecht lassen einen eine Menge Wissenswertes über die Entstehung des Gebiets erfahren, und kommen dabei - für Bayern gar nicht einmal so selbstverständlich - nie in den Ruch des landesspezifischen "Mir-san-mir"-Gehabes. Allein dafür lohnt sich die Anschaffung schon.
Bleibt nur noch die ökologische Seite des Kochel-Führers zu klären. Aber nachdem ich diese Presseerfindung noch nie kapiert habe, brauche ich mir darüber Gottseidank keine grauen Haare wachsen lassen - obwohl dann hätte ich vielleicht ein paar mehr...

Also mein abschließendes Resümée: Kauft diesen Kochel-Führer, egal, ob Ihr die Routen klettern könnt oder nicht! Denn dann ist allen gedient: Die Geheimniskrämer können weiter krämen, weil das Büchelchen ja irgendwann vergriffen ist, und dann alles wieder schön geheim wird. Die „Lustsozialisten", weil sie entweder was Tolles zum Klettern oder zum Lesen finden werden. Und die beiden Autoren werden ganz bestimmt so stinkreich, wie sie fürchten, - und sind endlich weg von der Straße: Dann können sie nämlich noch ein paar hundert Routen einrichten!

Aber nur wenn sie noch so einen Führer darüber schreiben!

"Kletterführer Kochel, Der Führer den die Welt noch braucht" von Thomas Bucher und Toni Lamprecht
Panico Verlag, Köngen, 1996

Kaufen? ...dann Online bei AMAZON bestellen

 

Ansonsten gibt's als Appetithäppchen noch die Kochelpage von Michael Hoffmann ...